Der geduldige Agnelli-Erbe - faz.de, 21.04.2010
Der neue Fiat-Präsident John Elkann war urspünglich die zweite Wahl. Sein Weg zur Spitze war nicht ganz so einfach, wie man es dem auserwählten Enkel des letzten italienischen Tycoons auf den ersten Blick unterstellen könnte.
Luca Di Montezemolo und John Elkann (r)
21. April 2010 Mit 34 Jahren hat John Elkann nun alle Insignien vereint, die ihn zum Oberhaupt des Agnelli-Imperiums und damit zu einem der wichtigsten Wirtschaftskapitäne Italiens machen. Am Mittwoch folgte er Luca di Montezemolo in der Position des Fiat-Präsidenten. Zuvor hatte Elkann bereits die Funktion des Präsidenten in der börsennotierten Finanzholding Exor übernommen, mit deren Hilfe die Familie Agnelli die relative Aktienmehrheit an Fiat hält. In den kommenden Wochen soll Elkann schließlich auch noch zum Oberhaupt der Kommanditgesellschaft werden, in der 70 Nachkommen der Familie Agnelli ihre Beteiligungen am Familienkonzern zusammengefasst haben.
Der Weg zur Spitze war nicht ganz so einfach, wie man es dem auserwählten Enkel des letzten italienischen Tycoons, Giovanni Agnelli, auf den ersten Blick unterstellen könnte. Elkann musste seine Karriere als Ersatzkandidat starten und zudem unter überaus kritischen Blicken. Der zunächst als künftiges Oberhaupt der Familie und des Fiat-Konzerns ausgewählte Giovannino Agnelli, Neffe des „Avvocato“ Agnelli, war 1997 an Krebs gestorben.
Vier Tage danach, im Alter von 21 Jahren, war John Elkann als Nachfolger in den Verwaltungsrat von Fiat berufen worden. Die Mentalität, die dahintersteckte, offenbarte sein Großvater bei der folgenden Fiat-Hauptversammlung: Sein Enkel sei „abkommandiert“ worden in den Verwaltungsrat – wie er selbst im Alter von 22 Jahren. In Fragen der Familiendynastie und des Familienkonzerns Fiat erwartete Giovanni Agnelli die Art von Pflichtbewusstsein, für die in Deutschlands Geschichte die Preußen und in Italien die Piemontesen bekannt geworden sind.
Am Fließband in Birmingham
Besonders schmerzhaft war zuletzt, dass die eigene Mutter Margherita Agnelli vor Gericht gegen die Testamentsvollstrecker und einen Erbschaftsvertrag für den Nachlass von Großvater Giovanni Agnelli prozessiert und damit vor allem John Elkann traf. Denn der war vom Großvater zum Haupterben bestimmt worden, nicht unbedingt aus finanziellen Gründen, sondern weil es mit dem größten Aktienpaket leichter fällt, die vielen anderen Agnelli-Nachfahren auf die eigene Linie zu bringen. Denn für den Zusammenhalt der Familie hat der „Avvocato“ ein einfaches, wenn auch manchmal schwer zu befolgendes Prinzip ausgegeben: „Hier kommandiert immer nur einer, immer der Reihe nach.“
Noch immer jung an Jahren, wurde John Elkann dennoch 13 Jahre lang auf seine künftige Führungsaufgabe vorbereitet. Als Voraussetzung brachte er von Anfang an eine Perspektive als Weltenbürger mit, wie sie auch heute wenige Italiener und wenige Angehörige der Agnelli-Familie besitzen. Geboren wurde John Elkann in New York, aber das unstete Leben der Mutter bescherte ihm eine Schulausbildung in Brasilien, Großbritannien und Frankreich. Danach studierte er Maschinenbau in Turin und sammelte neue Erfahrungen auch inkognito, sei es am Fließband bei Magneti Marelli in Birmingham, als Fertigungsingenieur bei Fiat in Polen, in der Verkaufsorganisation in Frankreich oder als Bilanzkontrolleur bei General Electric in Tokio und Atlanta.
In der Rolle des nationalen Wirtschaftsführers
Im Verwaltungsrat erlebte er bisher vier Präsidenten und fünf Chief Executive, dazwischen mehr Turbulenzen und dramatische Wechsel als manche gestandenen Manager in einer langen Karriere. Nachdem Luca di Montezemolo im Amt des Fiat-Präsidenten den glänzenden und dennoch vermittelnden Diplomaten zwischen Familieninteressen, Gewerkschaften und italienischer Öffentlichkeit darstellte, kann sich der eher stille John Elkann an der Spitze von Fiat den Luxus von mehr Zurückhaltung leisten.
Ohnehin hat er sich im privaten Leben nie als Draufgänger erwiesen wie der Großvater. Dass er auch Tatkraft zeigen kann, beweist die entschlossene Reorganisation und Neuausrichtung der Familienholdings, die nun unter dem Namen Exor vereint sind. Doch im Gegensatz zum „Avvocato“ hat John Elkann vor allem viel mehr Geduld. Für die Rolle des nationalen Wirtschaftsführers, die früher vom Oberhaupt der Agnellis immer wieder glanzvoll ausgefüllt wurde, kann sich John Elkann noch viele Jahre Zeit lassen.