Navistar lockt Volkswagen und Fiat an - ftd.de, 10.06.2012
Der Aktienkurs von Navistar hat sich binnen vier Monaten halbiert. Der Hersteller von Lkw und Dieselmotoren gerät deshalb ins Visier von möglichen Käufern.
Der amerikanische Lkw-Bauer Navistar wird zum Objekt der Begierde für Volkswagen und Fiat. Navistar zählt neben Freightliner zu den größten Lkw-Marken und den führenden Herstellern von Dieselmotoren in den USA, fiel dort zuletzt allerdings hinter die Rivalen zurück. Binnen vier Monaten hatte sich der Wert der Aktie bis auf 24 Dollar halbiert - eine Einladung für neue Großinvestoren.
Die aktuelle Schwäche geht bei Navistar vor allem auf Rückschläge bei der Motorenentwicklung zurück. Diese Probleme ließen sich mit einem neuen Partner relativ zügig lösen. VW oder Fiat kämen da gerade recht. Daimler scheidet dagegen aus: Mit den Marken Freightliner, Western Star und Detroit Diesel verfügen die Stuttgarter bereits über eine herausragende Marktposition in Amerika.
Marchionne hat Interesse Fiat dagegen ist in den USA bislang noch nicht präsent, will dort aber den Transporter Ducato und einzelne Iveco-Modelle künftig unter der US-Marke Ram verkaufen. "Wir sind daran interessiert, uns eine Marktposition im Lkw-Markt in den USA aufzubauen", bestätigte Sergio Marchionne am Freitag. Der Manager führt neben den Autobauern Fiat und Chrysler auch das Nutzfahrzeuggeschäft von Fiat Industrial.
Sein Vorhaben kommt überraschend, denn Iveco gilt selbst als Übernahmekandidat. Daimler wurde bereits Interesse nachgesagt. Zu Navistar wollte sich VW offiziell nicht äußern und sprach von "Spekulation". Nach FTD-Informationen prüft VW gleichwohl einen Einstieg, die Überlegungen befinden sich aber erst in einer frühen Phase.
Strategisch erscheint ein Einstieg durchaus sinnvoll, denn Europas größter Autobauer könnte damit seine Lücke bei Lkw und leichten Nutzfahrzeugen auf dem nordamerikanischen Markt schließen und zu Konkurrenten wie Daimler aufschließen. Erst vor wenigen Tagen hatten die Wolfsburger ihren Anteil an MAN auf mehr als 75 Prozent erhöht und die Lkw-Allianz aus VW Nutzfahrzeuge, MAN und Scania mit einer geänderten Führungsmannschaft neu ausgerichtet.
Investor Icahn mischt mit
Die aktuelle Schwäche von Navistar lockt zugleich Investoren an, die womöglich schon auf ein Bietergefecht spekulieren. Für das zweite Quartal musste Navistar überraschend einen Verlust melden und den Ausblick nach unten korrigieren. Die Ratingagentur Fitch warnte zudem vor einer drohenden Herabstufung.
Unmittelbar nach dieser Mitteilung schlug Carl Icahn zu: Der prominente Großinvestor erhöhte seinen Anteil an Navistar am Freitag von zehn auf 11,87 Prozent, die Aktie legte daraufhin um 18 Prozent zu.
Für den Analysten Robert Wertheimer von Vertical Research könnte Icahn damit den Startschuss zu einem Bietergefecht gegeben haben. "Der Prozess wird sich jetzt beschleunigen", sagte er voraus. "Navistar ist im Moment sicherlich unterbewertet." Auch Wertheimer geht davon aus, dass Volkswagen Interesse an Navistar hat. Indirekt sind die Wolfsburger bereits mit Navistar verbunden: über MAN. Seit 2005 produziert MAN Komponenten und Motoren für die Amerikaner. Zudem kooperiert Navistar neuerdings mit dem Motorenentwickler Ecomotors, der 2008 von Peter Hofbauer gegründet wurde. Hofbauer war zuvor zehn Jahre lang Chef der Motorenentwicklung von VW.